Trendbegriffe wie „Smart Factory“ werden zunehmend stärker durch ihre häufige Verwendung geprägt als durch einen allgemeinen, präzisen Konsens über deren Bedeutung. So ist es auch beim Begriff „Smart Factory“. Daher wollen wir Ihnen den Begriff mit diesem Artikel inhaltlich näherbringen – was also ist eine Smart Factory?
Die Vision der smarten Fabrik
Eine Smart Factory wird oft mit der Vision einer intelligenten und vernetzten Fertigung beschrieben, in der automatisierte Prozesse nahtlos ineinander übergreifen und ohne menschliche Interaktionen und Eingriffe ablaufen. Der Mensch übernimmt in einer solchen Fertigung nur noch Aufgaben im Kontext der Prozess-Überwachung und ggf. von System- und Maschinenkonfigurationen. In vielen Beiträgen und Artikeln wird ein solches Szenario oft auch mit „Industrie 4.0“ betitelt. Das ist bloß bedingt korrekt, da Industrie 4.0 sich im Grunde auf die komplette Wertschöpfungskette bezieht und nicht ausschließlich auf die Produktion – wenngleich die Produktion in vielen Szenarien den Mittelpunkt der vierten industriellen Revolution darstellt. Im Nachfolgenden wird anhand einer Abgrenzung zu einem klassischen Automatisierungsszenario herausgearbeitet, was eine Smart Factory ist.

Klassisches“ Automatisierungsszenario - vertikale Hierarchiestruktur
In einem vertikalen Automatisierungsszenario laufen diverse (mechanische) Prozesse ohne menschliche Interaktion und können sich (teilweise) selbst steuern. Die automatisierten Abläufe basieren auf der entsprechenden Programmierung von Maschinen und Anlagen. Daten und Informationen aus den Prozessen werden entlang der hierarchischen Systemebenen bidirektional übermittelt.
Ein Beispiel: Vom Shopfloor aus werden Ein- & Ausgangsignale über eine SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung) an das PLS (Prozess Leitsystem) von dort an das MES- und schließlich an das ERP-System übermittelt (wie in der Abbildung veranschaulicht).
Smarte Fabrik – Netzwerkstrukturen statt Hierarchien
Das, was eine Smart Factory ausmacht, ist vor allem die Abkehr von hierarchischer Kommunikation. Im Folgenden möchten wir anhand von zwei Beispielen veranschaulichen, was das bedeutet.
1. QualitätsmanagementEin klassisches Automatisierungsszenario ist bspw. eine Anlage, an der ein Staplerfahrer nur noch das Rohmaterial abstellt, welches dann vollautomatisch durch einen Roboter auf das Band gelegt wird, im Anschluss die einzelnen Bearbeitungsschritte durchläuft um dann am Ende als fertiges Produkt vom Band zu laufen. Dann allerdings erfolgt aber eine nachgelagerte Qualitätsprüfung, die ex-post bewertet, ob die Produktion ordnungsgemäß erfolgt ist und alle Vorgaben eingehalten worden sind. Wenn das nicht passiert ist, weil bspw. die Vorgaben einer bestimmten Variantenfertigung nicht eingehalten wurden, muss das fertige Teil als Ausschuss deklariert werden. In der Zwischenzeit ist die Produktion weitergelaufen und hat weiteren Ausschuss hervorgebracht.
Auch wenn die QM-Inspektion automatisch erfolgen würde, müssten in diesem Szenario die festgestellten Prüfwerte erst, der Hierarchie folgend, die einzelnen Ebenen hochgereicht werden, um mit den Vorgaben der Variante, die im ERP liegen, gegengecheckt zu werden. Das Ergebnis muss dann wieder die Hierarchie herunter gereicht werden. Das dauert und erfolgt somit nicht in Echtzeit.
Grundsätzlich kann eine Anlage automatisiert sein, weil sie entsprechend programmiert ist. Prozessschritte erfolgen in der definierten Reihenfolge und wann immer nicht einprogrammierte Ereignisse – Anomalien – auftreten kommt es zu Verzögerungen, Stillständen oder zu (größeren Mengen an) Ausschuss. Jedwede spontane Änderung (etwa Aufträge der Losgröße 1) führen zu Problemen bzw. sind mit beträchtlichen Aufwänden verbunden. Das ist nicht das, für das eine Smart Factory steht.
In einer Smart Factory gibt es keine Kommunikation über hierarchische Ebenen, sondern diese erfolgt dezentral bzw. multilateral und in Echtzeit (Abbildung).
Möglich wird das durch die Cloud, über welche Informationen direkt dorthin gelangen, wo sie hinmüssen. Das bedeutet auch, dass es in einer smarten Fabrik keine Synchronisierungsprobleme – etwa zwischen einem MES und dem ERP System – geben darf. Denn wenn ERP und MES bspw. nur zu bestimmten Zeitpunkten am Tag synchronisiert werden, gibt es ansonsten keine direkte Kommunikation über die Systemgrenzen hinweg – von Echtzeit ganz zu schweigen.
2. Fahrerlose Transportsysteme
Ein fahrerloses Transportsystem (FTS) kann schon in einen Automatisierungsszenario laufen, gesteuert bspw. durch ein MES. Das kann auch ein Cloud System sein, welches auf Echtzeitinformationen basiert. Allerdings werden in einem MES-Szenario immer wichtige aktuelle Information fehlen, weil sie im Normalfall im ERP liegen (etwa Informationen über Lagerplätze, aus der Disposition etc.) – hier steht wieder das Synchronisierungsthema im Raum.
Entsprechende Daten im MES vorzuhalten ist auch keine Alternative, da man ein redundantes Parallelsystem hochziehen würde. Deswegen kann ein FTS in einem klassischen Automatisierungsszenario zwar anhand der vorhandenen Vorgaben agieren – aber aktuelle Informationen über Lagerplätze oder einen kurzfristig über die Feinplanung priorisierten Kundenauftrag stehen ihm nicht zur Verfügung. D. h. der Mensch wird im Tagesgeschäft regelmäßig eingreifen müssen. Vom Ausnahme-basierten Handeln oder durchgehenden, intelligenten End-to-End Prozessen, welche mit einer Smart Factory assoziiert werden, kann deshalb nicht gesprochen werden. Dafür bedarf es einer reibungslosen Echtzeitkommunikation.
Fazit: Das ist eine Smart Factory
Im Zielbild einer smarten Fabrik erfolgt über die Cloud eine zielgerichtete Kommunikation zwischen allen relevanten Systemen, welche am Fertigungsprozess beteiligt sind. Durch die direkte Vernetzung der Systeme kann ein Echtzeit-Datenfluss realisiert werden. Basierend auf diesem Datenfluss können analytische und prozesssteuernde Szenarien aufgebaut werden, welche eine teil- bis vollautomatisierte Fertigung ermöglichen. Diese Szenarien gehen über die (System-)Grenzen des Shopfloors hinaus und sind somit in der Lage End-to-End Prozesse abzubilden. Kurz: Die Prozessabläufe in einer smarten Fabrik sind intelligent, automatisiert und unterliegen einer ganzheitlichen Betrachtung des Prozesses. Der Mensch muss nur noch in Ausnahmefällen eingreifen.
10.01.2022 10:50 AM
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